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Zwischen geheimen Tagebüchern und
noch geheimeren
Missionarstellungen
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Im 19.Jahrhundert erschienen "femmes fatales", dunkelhaarige
Geschöpfe aus einer gefährlichen Schattenwelt, männermordende Feministinnen vor der
Zeit von Alice Schwarzer und Andrea Dworkin. In diesen schicksalsgeladenen Augen verloren
sich die Herren der Lustschöpfung wie impotente Fliegen im Spinnennetz, um nie mehr ihren
Eltern, Frauen oder Kindern nach Hause zurückzukehren. Heute dagegen gibt es Verona
Feldbusch. Wer sich an Verona verliert, sagt seiner Mutter: "Ich hol mal gerad´ ne
BILD". The times they are a changing. Verona ist, wenn man dem unkritischen
Augenschein trauen darf, auch dunkelhaarig und fatal an dieser femme ist ihre mediale
Allzuständigkeit, die jeden Blondinenwitz als Anachronismus erscheinen lässt. Verona,
die schon je zeigefreudig war, hat jetzt richtig ausgepackt: Her secret life! Seit Walter
Mitty hat es eine solche Augenöffnung in der sekretionsfreudigen Öffentlichkeit nicht
mehr gegeben. Ohne Paradoxien kann man in paradoxen Verhältnissen nicht fröhlich werden
und so setzen wir uns widerspruchslos bis schicksalsergeben darüber hinweg, dass geheime
Tagebücher ausschließlich für eine postpubertär-aufklärungshungrige
Männeröffentlichkeit geschrieben werden, jeder Schlüssellochvoyeur auf die vollen
Kosten seiner 70-Pfennig-BILD-Zeitung kommen soll. Die ach so geheime Skribentin Verona
bietet nun auf Tausenden Plakatwänden und Millionen Billigdruckhadern einen Vorschein auf
das offenste Geheimnis ihrer zentralen Dessous und einiger dagegen vergleichsweise
marginaler Lebensereignisse. Der Begriff des Enthüllungsjournalismus hat dank BILD jetzt
eine neue Dimension (Maße können übrigens in der BILDerbuchredaktion nachgefragt
werden) bekommen. Aber BILD toppt sich selbst. Verona hat den FAZ-Fragebogen ausgefüllt
und jetzt wissen wir alles über sie, denn BILD weiß drei Mal neu(n)klug: "Die
Fragen sind raffiniert gestellt, denn sie lassen auf Intelligenz, Bildung und
Schlagfertigkeit der Befragten schließen." BILD weiß einfach mehr als ich, hätte
ich die Fragen nach Lieblingsfiguren, -farben, -blumen, -vögeln doch auch jeder
Mittelstufenschülerzeitung zugerechnet. Na ja, die Frage nach "Vögeln"
vielleicht nicht. Göttlich bis menschlich, wie souverän Verona da zu antworten versteht.
Es stört uns nicht allzu sehr, dass Walt Disney ihr Lieblingsmaler ist, auch wenn wir aus
gut unterrichteten Kreisen wissen, dass Disney kein Bild je selbst gemalt hat. Muss man
nicht wissen und jeder Vorwurf wäre Beckmesserei. Veronas Lieblingsschriftsteller?
"Mein Steuerberater". Wir wagen nicht zu denken, dass dieser Autor auch an dem
geheimen Tagebuch mitgeschrieben hat. Ihre gegenwärtige Geistesverfassung? "Nicht
definierbar". Mit anderen Worten: Verona lügt nicht. Ihre Lieblingsbeschäftigung?
"Schlafen & Sex! Oder umgekehrt..." Hier beweist Verona die hinterlistigste
Originalität, seit Marcel Proust solche Fragebögen beantwortet hat. Der Zusatz
"oder umgekehrt" provoziert Leserfantasien weit über jeden simplen
Verstehenshorizont hinaus. Verona hat nämlich keinen Freund. Oha! Wir werden aber sofort
versöhnt, da Verona "Fortuna", die römische Glückgöttin, hätte sein mögen.
Lassen wir unerörtert, ob das der eifersuchtsgeschwängerte Olymp, allen voran Jupiter,
auch noch verkraftet hätten. Fortuna? Dieter Bohlen, der Mann, der es auch wagt,
Interviews freizüngig zu geben, wird das im Rahmen der horrenden Scheidungsabfindung
vermutlich anders beantworten, aber Verona gibt ihm gleich noch eins drauf. Ihr
Lieblingskomponist? "Nicht Dieter Bohlen!!! Eigentlich schnöde und vermutlich ein
Fall von Anwaltsverschulden, die Antwort auf diese Frage nicht gleich im
Scheidungsfolgenvergleich für alle Zukunft mitgeregelt zu haben. Alternative Textvariante
hätte danach sein müssen: "Ihr Lieblingskomponist?"... "(Augenaufschlag,
halb bewegt bis verträumt) Dietäär, bis sich die Bohlen unter den tanzenden
Stöckelschuhen biegen". Die Frage ist inzwischen nicht mehr, wofür Verona auf ihren
Feldbusch klopft, sondern wofür sie nicht die werbende Allzweckwaffe mimt. Zuvörderst
wohl für sich selbst, weil das Geheimnis einer aufregenden Medienfrauenpersönlichkeit
nicht ihr seelisches Biotop ist, sondern der Verbreitungsgrad ihres spärlich bekleideten
Images. Dieses Image rechnet sich auf der Grundlage der stielaugenbedingten
Auffahrunfälle und der Zahl der entwendeten Verona-Plakate. Hat BILD ein gute
Haftpflichtversicherung? BILD hat jedenfalls dem libidinösen Notstand teutonischer
Männlichkeit nun durch einen Telefonorderservice für nachgedruckte Pinup-Veronas ein
Ende bereitet und das belegt die sozialethischen Qualitäten des Boulevards. Aber die
Verdienste von BILD reichen viel weiter: Nach der neuen deutschen
Rechtschreibverunsicherung jetzt ein Hoffnungsschimmer für alle Banalphabeten: Bei so
viel Unterwäsche macht Lesen wieder richtig Spaß. Bleibt nur zu hoffen, dass mit Anbruch
des Winters Veronas Autorinnenhonorar ausreicht, sich wärmere Kleidung zuzulegen oder
zumindest für Wick-Hustenbonbons nicht kauen, sondern lutschen - zu werben. In so
intimer Öffentlichkeit ergingen wir uns seit dem sexuellen Notstandsreport der Josephine
Mutzenbacherin noch nie. Aber Verona ist gegenüber der Mutzenbacherin das wohlanständige
Fräuleinwunder einer Spaßgesellschaft, deren existenzielle Welterschließung sich in der
Spannbreite zwischen "Piep, Piep, ich hab Dich lieb" und "Peep" so
freizügig bewegt, wie es nun mal der ausgetretene Grat, um nicht Spalt zu sagen, zwischen
Intimbeichten und geheimen Missionarsstellungen eröffnet. Telefonieren, Kochen und
diverse andere Lebensvollzüge also ab jetzt nur noch mit Verona Feldbusch "da
werden Sie so geholfen", dass man kurz dahinter ist, Zeitung, Telefon, mindestens
aber Fernsehen für Irrläufer der technischen Evolution zu halten. Vielleicht will Verona
aber auch nur ein paar weitere Kamele durch das Naddel-Öhr schicken. Zwischen Verona und
Naddel, den beiden Peep-Mädchen, zu entscheiden, ist mindestens so schwer wie die Wahl
zwischen reifen Äpfeln und ebenso reifen Birnen. Für einen anderen, nur geringfügig
tiefer (an)gelegten Lebensvollzug steht er (ihm) nun, der (dem) Austin Powers:
"Poppstar in geheimer Missionarsstellung." Mit diesem fein geschnittenen
Ohrfeigengesicht und dem Lächeln eines aufgeweckten Primaten hat Mensch nur zwei
Möglichkeiten: Entweder gentechnologische Totalrevision oder eben ejakulierende
Einschaltquoten bis zur Poppstarre danach. Powers hat sich für das zweite Modell
entschieden und bumst gut damit. Unsere Wertung: Oskarverdächtig! Einen Oskar für die
Zahnstellung und einen Oskar für die Missionarsstellung. Apropos Oskar. Da Grass nun den
Nobelpreis abgestaubt hat, hat Deutschland neben den geheimen Tagebüchern auch wieder
andere Weltliteratur. War die Blechtrommel schon ein bisschen rostig geworden, wird sie
nun neu geschlagen und soll wieder so blechern-fröhlich klingen wie zuvor. Grass hat nach
seiner Aufnahme in den veronalosen Olymp auch gleich an seine alte Kraftmeierherrlichkeit
des polternden Poeten (wegen des Stabreims) angeschlossen und dem anderen frechen Oskar
das Maul verboten. Klar: Es kann nur einen echten Oskar unter der roten Sonne gut
verdienender Bestseller-Autoren geben! Zwei linke Herzen also außerhalb des
Vier-Viertel-Takts. Und der Matzerathsche ist jetzt so nobelissimo, wie der Lafontainsche
giftig nachkartend ist. Toll Günter, jetzt biste wieder wer! Jetzt kannste wieder
bekränzt losreden und alles, was aus Deinem Munde fließt, ist kein Blech, sondern
literarisches Gold. Gott sei Dank wagen wir nicht zu denken, dass Literaturnobelpreisjurys
irgendwen irgendwann eben für sein Frühwerk büßen lassen. Günter, die alte
Wahlkampfhaubitze der noch älteren Tante SPD, muss ohnehin jetzt wieder in Stellung
gebracht werden, wenn die Sozis nicht zur verlorenen Oskarpartei werden wollen. Schröder
scharrt gefährlich an der 30-Prozent-Marge, während die PDS auf dem Einheitsweg zur
Zentralen Linkspartei marschiert. Gysi ad portas und die Berliner Republik zittert bereits
unter dem Stampfen der rosaroten Elefanten. Aber unser hoffnungsfroher Vorschlag zur
Gegenwehr der linken Altmacht lautet: Parteitag jetzt oder nie mit Verona. Denn Veronas
Lebensmotto lautet nach BILD: "Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt".
Wenn das die Regierenden kapieren, dürfen Unternehmer, Rentner und Sozialhilfeempfänger
wieder gleichermaßen hoffen. Denn was hätten Parteiprogramme je anders gemacht, als
Veronas Motto so ernst zu nehmen, wie es der Wähler nun mal braucht. Goedart Palm |
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