Erst mal will Schwarzenegger Gouverneur von Kalifornien
werden, später dann wohl in der Logik unbezwingbarer Terminatoren Präsident
der Vereinigten Staaten. Immerhin konzediert Schwarzenegger gegenwärtig
noch auf seine Kiff-Erlebnisse in den 70er-Jahren angesprochen, dass nur
Gott perfekt sei. Aber wer weiß schon, ob das morgen auch noch gilt.
Allein, was wird nun aus Arnies Lebensregel "Stay hungry"? Denn
viel gibt es in dieser stromlinienförmigen Erfolgsstory nicht mehr zu
erobern. Terminated to save California and later the world?
Der sensible Doppelbizeps
Schwarzenegger ist die autogene
Superpackung, der Selfmade-Fleischpalast mit Grips, der den american dream,
der für die meisten Amerikaner längst ausgeträumt ist, wieder wahr
macht. Vom fast bettelarmen Einwanderer zum Multimillionär und Schwarm
der Massen. Das ist Showbiz, Hollywood und Glamour pur. Kalifornien
sammelt sich also, um einen Mythos zu wählen, aber einen, der sich nun
als politisches Reality-TV vorstellt. Arnie schließt die Mythen und die
Wirklichkeit so kurz, wie es immer der Anspruch des Kinos, nicht weniger
der großer Staatsmänner ist. Und der demokratische Wähler, der längst
nicht den Glauben an die Machbarkeit der Verhältnisse durch starke Führerfiguren
aufgegeben hat, sondern sich durch Hollywoods Allmachtsträume immer
wieder aufs Neue darin bestätigt fühlen darf, wird es der smarten
Naturgewalt womöglich danken. True lies - das ist das Paradox, das der
medienkonditionierte Zeitgenosse genießt, der mit der Kulturindustrie als
Lügenbetrieb längst augenzwinkernd seinen Frieden geschlossen hat.
Lange vor seiner Terminatoren-Laufbahn
war Schwarzenegger trotz Doppelbizeps und brutalstmöglichen
Nautilus-Foltermaschinen der eher sensible Neuerfinder des Body-Building.
So überbot er einerseits die moderaten Muskel-Tiere derer von Charles Atlas
et alii, ohne sich an Anabolika tot zu schlucken. Andererseits besaß er
aber just jene muskelspreizende Grazilität, die ihm der frühe
Ballett-Unterricht vermittelte, um unförmige Hulks wie
Lou Ferrigno
und die anderen Masse-Klötze aus dem Kuriositätenstudio des
Body-Building vom Treppchen zu stoßen. Die mussten dann vornehmlich in
eher schlecht bezahlten Sandalenfilmen mitlatschen, während
Schwarzenegger, der Nichtschauspieler mit dem beschränkten Mienenspiel
eines Androiden der ersten, entwicklungsfähigen Baureihe, eben diesen
besonders gut gab.
Schwarzenegger hat neben seiner
stahlharten auch die menschliche, weiche Seite betont. Kaum so, dass man
ihn für einen Softie hätten halten können, aber immerhin so weit, dass
ihm auch Typen mit "human touch" gelungen sind. Hölzern zwar,
aber das schadet beim populistischen Armutsniveau polyglotter
Hollywood-Streifen zum wenigsten. Diese Mixtur aus "Terminator"
und
"Kindergarten-Cop"
ist also jetzt eine hybride Filmfigur, die nur scheinbar aus der Leinwand
ins politische Leben tritt. Ein großer Schritt für Kalifornien, nur ein
kleiner Rollenwechsel für Schwarzenegger, nicht mehr. Der Kandidat macht
es also wie im Film, weil Politik in Amerika ohnehin spätestens seit
Reagan nicht viel mehr als das ist. So besucht er Kinder aus armen
Familien. Dazu gibt es die üblichen "Wir sind alle eine große
Familie"-Bilder. Und selbst die zum Glück verurteilten Kinder werden
ihm nicht geglaubt haben, dass das - wie er sagte - alles nur ihretwegen
geschehe.
Der Medien-Terminator
Dass der Inhaber des "bachelor's
degree" in Volks- und Betriebswirtschaft nicht so blöd ist wie der
größere Teil seiner Filme, lässt bereits seine Karriere vermuten.
Schwarzenegger wusste sich jederzeit geschickt in der amerikanischen
Gesellschaft voranzuhangeln und mit seinen Pfunden, nicht eben wenigen, zu
wuchern. Von Miniauftritten, etwa bei Robert Altman, über kleinere Rollen
bis hin zum bestbezahlten Schauspieler der Welt. Mit Schwarzeneggers
gestischem und mimischen Repertoire in der Weltliga zu schauspielern, ist
ohnehin Magie.
Die
Einheirat in den Kennedy-Clan war ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum
unbedingten Erfolg. Doch das ist weit weniger wichtig als dieser
unbedingte und outrierte Glaube an sich selbst, der in glaubensschwachen
Zeiten auch andere und allemal Medien ansteckt. Der Mann strahlt die
geballte Energie eines Mars-Schokoriegels aus und vergisst selbst nicht
die Accessoires für sein aufdringliches Sieger-Charisma. So sieht man den
für deutsche Verhältnisse weniger erträglichen Dauerlächler mit jenem
albern kracherten Lapislazuli-Ring an der rechten Hand, der wohl seiner
Solidität den letzten Schliff geben soll. Seriöse Filmkritik oder der
Glaube an politische Kultur kämen gegenüber diesen Selbstinszenierungen
längst zu spät. Selbstverständlich weiß der Selbstdarsteller, dass
Subtilität nur schadet. Wie im Kino so auch auf Erden...
Und jetzt werden die Bilder, die weder
der Wirklichkeit noch dem Film allein angehören, ständig überblendet:
Schwarzenegger rettet Kalifornien, der Terminator rettet die Menschheit.
Schwarzenegger grinst breit bis zur Kiefernstarre. Nach den letzten
Umfragen stellt allein der demokratische Kandidat Cruz Bustamante mit drei
Prozentpunkten vor Schwarzenegger noch eine ernsthafte Konkurrenz dar.
Aber was sind schon drei Prozentpunkte bei den ohnehin regelmäßig
falschen Wahlprognosen und Bustamentes erfolgsgefährdender Steuererhöhungsverheißung?
Total recall
Wahlkampfgefährten wie der Milliardär,
Finanzier und Investor Warren Buffet, der ehemalige US-Außenminister
George Shultz und Schauspieler-Freund Rob Lowe haben sich dem
zivilisierten Barbaren nun zugesellt, um in den Recall-Wahlen am 07.
Oktober mit ihrer inhaltsschwangeren Parole "Action" das Rennen
zu entscheiden. Steuererhöhungen gibt es bei diesem muskulösen
Kompetenzteam "prinzipiell" nicht: "Die Menschen in
Kalifornien sind genug bestraft worden. Von dem Zeitpunkt an, zu dem sie
in der Früh aufstehen und ihre Klospülung betätigen, werden sie
besteuert...". Stattdessen also "Action", was immer das heißen
mag. Kraft, Geld und Schönheit - wir haben alles, also wählt uns! Und
den Medien gefällt es so gut wie lange nicht mehr. Da wird es kaum stören,
dass Schwarzeneggers Filme aus Gründen der Chancengleichheit während des
Wahlkampfs vorüber gehend nicht über die Fernseh-Kanäle verstrahlt
werden. Selbst der Vorwurf, er habe in seiner wilden Zeit gekifft, gar den
Duft der Seligen inhaliert, ganz anders als Clinton, ist hier eher Schönheitsfleck
als Makel.
Schwarzenegger
hat noch nie verloren. Bei diesem Typ glaubt man längst nicht mehr, dass
Hybris bestraft werden könnte. Es gibt jene Passage in "Conan, der
Barbar", wo er gefragt wird, ob er denn gar nicht sterben wolle.
Selbst seine Kreuzigung überlebt er wohlgemut. Wenn das nicht messianisch
ist und Appetit auf noch mehr Frohbotschaften macht. Bush etwa will zwar
"Leadership" ausstrahlen, aber die rechte Autorität in dieser
unentschiedenen, um Ausdruck ringenden und immer leicht schiefen
Physiognomie will ihm nicht so recht gelingen. Bei Schwarzenegger ist das
völlig anders. Er hat die Autorität, die sich in dieser Körpermaschine
exekutiert, wenngleich sie einem Herzleiden nach zu urteilen auch
verwundbar ist. Für Amerikaner verströmt er den österreichischen Holzfällercharme,
der in Schwarzeneggers Dialekt fest verankert ist und der ihn von den
windkanalgetrimmten No-Names amerikanischer Politik markant unterscheidet.
Ob nun der avancierte Waldbauerbub auch
politische Fähigkeiten besitzt, ist geradezu marginal. In Amerika ist der
Begriff des Berufspolitikers seit Ronald Reagan oder dem
Ex-Gouverneur-Catcher Jesse Venturi keine echte Kategorie mehr. Dass dem
Koloss von Kalifornien nun von seinen Mitbewerbern vorgeworfen wird, sich
nicht konkret zu politischen Fragen zu äußern, ist nicht nur ungeeignet,
Schwarzenegger aus dem medialen Gleichgewicht zu bringen. Die Frage ist in
Mediendemokratien doch nicht mal mehr legitim. Wurden Bush und Schröder
wegen ihrer politischen Konkretisierungen gewählt? Die Medien sind
trunken von Schwarzenegger, weil der Mediator den Beweis antritt, dass die
Geschöpfe der Medien real sind. Das politische Programm ist also
allenfalls Beiwerk, das zukünftig die politischen Graumänner im
Hintergrund erledigen mögen. So hat Schwarzenegger gerade noch in aller
Offenheit erklärt, dass die Frage, wo denn der kalifornische Haushalt
beschnitten werde, später kundgetan werde, weil die Bürger an
Detailfragen ohnehin kein großes Interesse hätten. Das bringt das offene
Geheimnis von Mediendemokratien auf den Dollpunkt.
Auf Arnies Homepage
kann man ihm auch persönlich Fragen stellen. Haben wir gemacht:
"Helfen die Kraft und das Wissen des Terminators, um ein guter
Gouverneur zu werden", fragte der Autor scheinheilig. Noch steht eine
Antwort aus. Die Frage war ja ohnehin nur rhetorischer Natur und könnte
demnächst mit Tatendrang beantwortet wird: "It is time to return
California to the people." Mehr gibt es wohl nicht zu sagen. Die
Niedersachsen-Wahlen könnte Schwarzenegger mit solchen Bauernfänger-Sprüchen
vielleicht doch nicht gewinnen. Angeblich sind die Deutschen laut einer
Umfrage noch nicht so weit, ihr Schicksal solchen Macher-Typen wie dem
Terminator anzuvertrauen. Anderen Umfragen zufolge soll Schwarzenegger bei
51% der deutschen Männer unter 30 Jahren aber wählbar erscheinen. Sollte
erfolgreiche Politik mitunter nichts anderes sein als die Antwort auf
hormonelle Haushaltslagen?
Goedart Palm 22.08.2003
Original unter www.telepolis.de