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Medien
Philosophen,
Theoretiker, Wissenschaftler, Popularisten, Quacksalber
Hier geht es nur um ein paar
unangestrengte Bemerkungen zu eigenen Lektüreerfahrungen zum Thema
"Medientheoretiker" und Lektüre. Der folgende Text ist
"in progress", sodass mir ja keiner vorwerfen möge, was ich
gestern gesagt - und morgen noch nicht gesagt habe. Vermutlich ist Medientheorie ein Irrtum, weil das Gegenstandsfeld so wenig statisch ist, dass jede Theorie Gefahr läuft, mit kürzesten Halbwertszeiten obsolet zu werden. Ohnehin bedeutet Theorie, Wirklichkeit so zusammenzufassen, dass eine mögliche Praxis mit ihr verbunden sein könnte. Hat je eine Medientheorie Medienmanifestationen
maßgeblich geprägt? Wurden mediale Ereignisse nur per Theorie möglich oder hechelte die Medientheorie einigen Phänomenen nach, die sich bei näherem Zusehen als wenig willfährige Medienobjekte erwiesen? Theorie ist ein Handwerkszeug, mehr nicht. Wenn das consensus omnium wäre, wären wir ein großes Stück weiter. Für Theorie heißt das wie für jede "engine": Entweder sie funktioniert oder sie tut es nicht. Zwar mögen falsche Theorien richtige Theorien fördern und solche Umwege muss man akzeptieren so wie sieben Brücken oder sieben Fässer Wein. Doch eine Theorie, die selbstreferentiell bleibt, genießt sehr schnell einen Einsamkeitsstatus, der ihre - neudeutsch gesprochen - Anschlussfähigkeit beeinträchtigt. Medientheorie, so wie sie heute praktiziert respektive gelehrt wird, ist ein müßiges Geschäft, das für hoffnungsvolle Karrieren eher nicht mehr in Betracht kommt. |
Bazon Brock - Kleiner FB-Eintrag in anderem Zusammenhang: Kein geringer Teil jener wunderwollen Welterklärungstexte unerreichbarer Bescheidwisser, die Suhrkamp vornehmlich in den siebziger Jahre produzierte, haben den höchsten
Anspruch, als Satire wiederentdeckt zu werden. Brock hatte das vielleicht früh erkannt und immer ein wenig den Clown der fröhlichen Wissenschaft gegeben, was seine Ernsthaftigkeit eher belegt als beschädigt. |
Daniel J.
Boorstin - Die Schrift über das "Image" ist eine
vorzügliche Darstellung wesentlicher Themen der Medienkritik. Boorstin
präsentiert auch viele Leitmotive, die später von anderen fortgeführt
wurden, ohne sich an diese Referenz erinnern zu wollen. Das Buch
hat auch den Charme jener Tage, ohne deswegen an Aktualität zu
verlieren. |
Immanuel
Kant - Der vielleicht wichtigste Text
zur Medientheorie bleibt die "Kritik der reinen Vernunft", weil Immanuel
Kant hier die Erkenntnisbildung im Bewusstsein als medialen
Vorgang schildert. Er steigt aus ontischen Sümpfen auf, das vormals
Reale wird nun zur Erkenntnisfrage. "Die modi cogitandi
entpuppen sich als modi essendi" (Otfried Höffe). Übrigens ist
die Realität keine Frage des Seins, sondern der positiven Eigenschaften
der Sache, was in Zeiten der Virtualität praktisch wird. Unnötiger
Ballast des Wirklichkeitsbegriffs wird abgeworfen und wir starten als
selbstbezügliche Medien durch. Der transzendentale Zugriff auf die Welt
ist die höchste Virtualität, die sich für Menschen einstellen kann,
weil es hier um die Bedingungen möglicher Erfahrung geht. Ließe sich
das transzendentale Programm selbst virtuell abbilden, müssten alle
möglichen Erfahrungen erscheinen. Das wäre dann das Ende der Welt,
weil nichts mehr vor uns läge, was noch zu erfahren wäre. |
Novalis |
Friedrich Schlegel |
Georg Wilhelm Friedrich Hegel -
Wenn
also Hegel nach Adorno nur assoziativ gelesen werden kann, was kaum
bezweifelt werden kann, so leiten diese Texte eine neue Art der Lektüre
ein, die das philosophische Denken in der Folge immer stärker
erfasst. |
Friedrich Nietzsche |
Marshall
McLuhan hat in den "Magischen Kanälen" klar
gemacht, dass man über Medien völlig anders schreiben kann, als das
zuvor möglich erschien. Medien sind Protagonisten, Stars der Szene, die
folglich auch theoretisch inszeniert werden wollen. McLuhan hat ein
sinnliches Verhältnis zu Medien. Erfinder und womöglich der Vollender
der Medienwissenschaft - so wenig das für die Branche akzeptabel
wäre. |
Friedrich
A. Kittler ist wohl als der große alte
Mann der bundesrepublikanischen Medientheorie zu bezeichnen.
"Grammophon Film Typewriter" ist größtenteils gut lesbar,
wenngleich für Friedrich A. Kittler immer gilt, dass die Verschaltung von Text und
Technik, also die Vorführung seines eigenen Paradigmas im Text,
mitunter zur Unlesbarkeit führt. Es gibt kryptische Passagen, deren
Widerstand gegen Lektüre, die zentrale Aussage sein könnte. Die
"technischen Schriften" müssten mal überarbeitet werden.
Kittler wird man im Zweifel selektiv lesen, "Eine Kulturgeschichte
der Kulturwissenschaft" ist von dieser Feststellung
ausnehmen. |
Paul
Virilio schaltet Tempo und Apokalypse
kurz und daher ist der Text selbst auch kurzweilig. Die Struktur dieser
Erkenntnis ist allerdings weniger originell, als es das Feuilleton uns
weiland glauben machen wollte. Dass alles schließlich still steht, wenn
es nur dynamisch genug ist, folgt einer alten Dialektik. Nur, wir
erleben nach wie vor keinen rasenden Stillstand und Virilio möchte die Verlangsamungen wohl
auch nicht sehen. Mentalitätsumbauten werden auch nicht in´s Auge
gefasst, die etwa einen Teil der Last als Ballast behandeln oder auf
virtuelle Helfer vertrauen. "Geschwindigkeit" allein ist kein
ausreichendes Medienparadigma. Weder den Wahrheitsanspruch noch die
neuen Gesten kann man in eine Temporalstruktur auflösen, wie es V.
mitunter zu gelingen scheint und uns nur als Mimesis an den Schrecken
erscheint. |
Vilem Flusser schreibt
McLuhan fort. Seine Zukunftsauffassungen sind wie die von McLuhan nicht
allzu spannend. Wichtiger sind die Feststellungen zum Ende der
alphabetischen Kultur und zum Verständnis von
"Techno-Bildern". Auf der Grundlage von "Gesten:
Versuch einer Phänomenologie" könnte man gut über die Gefahr
einer Nichtfixbarkeit von Gesten im Gebrauch "neuer" Medien
nachdenken. |
Hartmut Winkler "Docuverse"
eher schwer zu lesen. |
Jochen
Hörisch hat keine eigene Medientheorie verfasst, ist aber
ein äußerst kurzweiliger Autor mit einem gut sortierten
Hintergrundwissen. Leidet vielleicht unter einem Vielschreibersyndrom,
was aber keine Kritik sein muss. Manchmal "macht er den Kittler", was bis in
die Formulierungen hinein nachweisbar ist. Im Gegensatz zu Kittler ist
er aber stärker den Sinnlichkeiten der Lektüre verpflichtet und kein
"Techno-Freak" wie jener. "Eine Geschichte der
Medien" ist natürlich Pflichtlektüre. |
Rainer
Leschke - Die "Einführung
in die Medienethik" überzeugt mich nicht, weil der erste Teil, die
Ethik-Grundierung, sehr kontingent ausfällt und
der Hauptteil einige metaethische Aussagen macht, die nicht falsch sein
mögen, aber längst nicht ausreichen, deutlich zu machen, ob diesem
Untersuchungsgegenstand irgendeine besondere Relevanz zukommt, von
Regeln, die etwa Medienverhalten originell bestimmen könnten, ganz zu
schweigen. Metaethik wird so zur Flucht vor dem Thema, das vielleicht
wirklich keines mehr ist. Denn bereits die Ethik (welche?) ist eine
schwer belastete Disziplin, die nun in einem fluktuierenden Feld mit
zahlreichen ethischen wie moralischen Ansprüchen in noch größere
Konfusionen gestürzt wird. |
Mike
Sandbothe |
Frank Schirrmacher - Payback.
Warum wir im Informationszeitalter gezwungen sind zu tun, was wir nicht
tun wollen, und wie wir die Kontrolle über unser Denken zurückgewinnen.
Meine Einschätzung: Der Titel sagt alles, wirklich alles. Die
gute alte Manipulationsthese im alten Beschwörungsgestus. Das ist
Lichtjahre von dem entfernt, was ich denken möchte. Kontrolle über
mein Denken heißt hier, diese Schrift nicht über das hinaus zur
Kenntnis zu nehmen, was die Spatzen von den Dächern (viele zu Recht)
über diese opus trällern. Zitat Detlef Hartlap: "...der
Oberhysteriker der deutschen Publizistik und Bestseller-Autor (was
zusammenhängt)." Das trifft es. |
Fortsetzung folgt (wie fast
immer). |
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