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Apocalypse later

Beati pauperes spiritu, quia ipsorum est regnum coelorum
(Matth. 5, 3)

 

Ein Krisengespräch auf allerhöchster Ebene

Das goldene Telefon klingelt...

Papst routinemäßig: Hallo, hier Stellvertretung Gottes.

Gott: ...Und hier ist der Boss der Bosse. Ich will mich ja nicht ständig in Deine Verwaltungsangelegenheiten einmischen, aber seit etwa 300 Jahren verstärkt sich bei mir der Eindruck, meine Repräsentation auf Erden lässt erheblich zu wünschen übrig.

Papst (räuspert sich): Ja nun, was sollen wir machen? Die Geschäfte laufen schlecht. Unsere Message kommt im Moment nicht rüber, so froh oder cool die Botschaft auch sein mag.

Gott: Früher lief das erheblich besser, Deine Vorgänger konnten sich noch durchsetzen. Wer nicht parierte, wurde nachmissioniert. War zwar mitunter heftig, aber von einigen unerfreulichen Exzessen einmal abgesehen heiligt der Zweck eben die Mittel.

Papst: Auf der einen Seite Toleranz predigen und auf der anderen Seite Ketzer verbrennen? Wir haben genug Glaubwürdigkeitsprobleme mit eben diesen Geschichten. Giordano schmieren sie uns bei jeder Gelegenheit aufs Butterbrot. Entre nous: Ich bin kurz davor, seine Seligsprechung einzuleiten. Das hat er dann davon. Überdies erregen sie sich jetzt über unsere Abstinenz in Sachen "Holocaust". Mischen wir uns ein, gibt’s Ärger. Halten wir uns raus, ist es auch falsch. Das verstehe wer will.

Gott: Ein wohl gemeinter Rat. Back to the roots! Meine Kinder lieben Geschichten und weiß Gott, davon habe ich euch doch zwei dicke Bücher voll geliefert. Frag doch mal bei Spielberg an, mach was draus: AT – The Superterrestrian, Eden Park- die Welt vor sechs Milliarden Jahren, Noahs Liste etc.

Papst: Storys? Allein die Geschichte mit der unbefleckten Empfängnis hat uns mehr Ärger als Nutzen eingebracht.

Gott: Kann ich was dafür? Es war nun mal so, auch wenn die Wissenschaft das dreist bestreitet. Mehr als reinen Wein kann ich auch nicht einschenken? Ich setze halt Regeln für euch fest, bin ihnen aber nicht unterworfen. Schöpferbonus. Basta.

Papst: Genau da liegt das Problem. Ein bisschen mehr Menschenähnlichkeit würde unseren Stand hier unten erheblich einfacher machen. Heute glaubt keiner mehr irgendetwas, ohne sich von seiner Vernunft beraten zu lassen. Auch wenn Dir das eitel erscheinen mag.

Gott: Ich hab´ nichts gegen Vernunft. Auch die ist mein Produkt – hab ich mir ausgedacht, um eure menschliche Komödie spannend zu halten. Vernunft, gut und schön, aber man kann es auch übertreiben. Die Unvernunft hat mindestens so viel Charme. "Ich denke, also bin ich." Wenn ich schon solche blasierten Sprüche höre. Wer ist, entscheide immer noch ich. Wo bleibt da die Metaphysik? Selbst der alte Königsberger, der mich weiland mächtig geärgert hat, hat dafür noch Platz gelassen. Aber ihr habt zu viel Boden an die Un- und Andersgläubigen abgetreten. Eurer neues Bündnis mit den Wissenschaften muss ja nicht gleich zur Totalkapitulation des Glaubens werden.

Papst, lamoryant: Immerhin hab ich öffentlich festgestellt, dass der Teufel wirklich ist, aus Fleisch und Blut. Da musste ich über meinen Schatten springen, auch wenn Du das nicht glauben magst. Und meinst Du, die Pille zu verbieten, wäre einfach gewesen. Unsere Einschaltquote ist allein dadurch mächtig in den Keller gerutscht. Glaubwürdigkeit hin, Glaubwürdigkeit her – ohne Reklame läuft hier unten gar nichts mehr. Ein paar Werbegeschenke müssten doch drin sein, vielleicht eine Generalamnestie für Ketzer?

Gott: Du weißt genau, dass im Purgatorio kaum noch Platz ist. Wir können zuletzt noch weitere ungetaufte Seelen unterbringen. Und hier oben haben wir erhebliche administrative Probleme, Petrus hat einen Pensionsantrag gestellt, den ich schwerlich ablehnen kann und die Evangelisten reden nur von Tantiemen, aber seit fast 2000 Jahren kommt von denen nicht mal das kleinste Storyboard.

Papst: Wenigstens ein paar Erlösungen von dem Übel sollten drin sein...wenn wir diese Litanei schon ständig beten.

Gott: Ja, wenn´s so einfach wäre. Was sollen wir mit noch mehr Erlösten hier oben? Die Chöre verstärken? Einmal Hallelujah pro Tag reicht völlig hin. So schnell leide ich nicht mehr an narzisstischen Kränkungen. Man lernt halt mit den Jahren dazu. Im Übrigen: Ich hab schon genug Ärger mit den ständigen Revisionen antiker Philosophen. Gute Leute im Übrigen, aber eben ungetauft und fürchterlich sophistisch. Allein dieser Sokrates ist ein elendiger Prozesshansel, dem sitzt die Biografie im Nacken und jetzt lässt er keinen Prozesstrick aus, um sich in den Himmel zu klagen. Irgendwo müssen Grenzen gezogen werden. Sonst gibt´s bald keinen Grund mehr, überhaupt noch Christ zu sein.

Papst: Klar, aber vielleicht käme ja eine Wiedergeburt Christi in Betracht. Eine zweite Chance für die zu früh Gekommenen.

Gott: Also jetzt Klartext, Wiedergeburt ist nicht drin. An dem Modell haben die Hindus ältere Rechte und auf die Diskussion lass ich mich nicht ein. Das Brahma hat schon damals bei der Wiederauferstehung Schwierigkeiten gemacht und sich über Ressortverletzungen mokiert. Auch meine Allzuständigkeit hat leider ihre Grenzen.

Papst: Und was sagt Jesus zu den Statistiken? Immerhin unser bester, Tschuldigung, zweitbester Werbeträger.

Gott: Ewig dasselbe. Der macht sich für jede Minderheit stark, dem ist die Erlöserrolle in Fleisch und Blut übergegangen, aber beim Thema Staatsräson, also Himmelräson, passt er. Heilige Dreifaltigkeit ist ein gutes Prinzip, irgendwie habe ich doch eine demokratische Ader, aber letztlich bleibt alles an mir hängen.

Papst: Wie auch immer, wir haben hier unten genug Probleme. Ich bin trotz unbegrenzter Prokura schließlich nur Stellvertreter. Und glaub mir: Fidel Castro im Vatikan zu empfangen, das belegt, wie weit wir gekommen sind. Wenn bald nichts geschieht, können wir hier Konkurs anmelden.

Gott: Es wär nie so weit gekommen, wenn ihr die Theologen gezügelt hättet. Die haben mit ihrem guten Willen mehr geschadet als dieser Vollbärtige, der meinte, meine Lehre sei Opium für das Volk oder dieser unverschämte Pastorensohn, der gleich behauptete, ich sei tot. Na ja, was er davon hatte, kann er ja jetzt von unten sehen.

Papst: Okay, diese Möchtegern-Apostel und Blendboten des Bösen sind wir los, aber auf die Bibelforscher an den Universitäten haben wir wenig Einfluss. Du hättest Deinen Evangelisten sagen sollen, dass sie die Fakten sauberer zusammentragen. Auch die Qumran-Rollen machen noch keinen Sommer, viel weniger ein Heiliges Jahr. Ständig traktieren sie uns mit angeblichen Widersprüchen in den heiligen Schriften, die klein zu reden, mir schon lange kein Vergnügen mehr macht. Allein das Wunder der Brotvermehrung glaubt doch heute kein Mensch mehr.

Gott: Stimmt, war ja auch nur eine Leihidee, aber damals brauchten wir eine gute Propaganda und hatten gerad´ nichts anderes. In dieser aufgeregten Zeit zog das eben und Paulus musste sich gegen die Römer mächtig ins Zeug legen. Wer konnte vorhersehen, dass jedes kolportierte Wort auf die Goldwaage gelegt würde?

Papst ironisch: Ich jedenfalls nicht, das fällt nicht in meine Kompetenz, noch weniger in meine Legislaturperiode. Als Nachlassverwalter muss man mit dem leben, was übrig bleibt.

Gott: Jetzt bitt ich dich. Das ist alles andere als eine Nachlass- oder Konkursmasse, die Du verwaltest. Allein der Einsatz meines Sohnes hat euch fast 2000 Jahre gut genährt. Und einige Deiner Vorgänger haben das schamlos ausgenutzt. Zeitweise lief bei denen nur noch der Telefonanrufbeantworter, wenn man da anrief. Man kann eben nicht immer wie Gott in Frankreich leben. Du weißt ja, auf die fetten folgen die mageren Jahre. Aber das ist kein Grund für mangelnden Einsatz. Wenn das so weiter aus dem Ruder läuft, werde ich Saatchi & Saatchi oder Boston Consulting mit der Reorganisation beauftragen. Da kannst Du in die Sommerfrische nach Gandolfo fahren.

Papst beleidigter Ton in der Stimme: Jetzt zur Jahrtausendwende hätte uns ein bisschen Apokalypse weiter gebracht. Eine kleine Angstnummer, dann kämen sie wieder in Scharen gelaufen. Noah hatte damals ja auch mächtig Zulauf in seiner Arche.

Gott: Eine kleine Apokalypse? Entweder richtig oder gar nicht. Immerhin hat Johannes - leider etwas voreilig - Maßstäbe gesetzt. Und wann ich den Laden schließe, bestimme immer noch ich. Also red mir nicht in meine Vorsehung rein. Ich sag euch jedenfalls rechtzeitig Bescheid. Im Übrigen sitzt Du dann ja ohnehin in der ersten Reihe.

Papst: Irgendwo muss sich der ganze Ärger ja auch lohnen. Allein diese Sweat-Jobs im gläsernen Papamobil durch Afrika sind durch keine Aufwandsentschädigung wett zu machen, von den frechen Witzen über meine Stellvertretung ganz zu schweigen. Aber auch dieser Einsatz löst das Problem jetzt nicht...vielleicht ein paar Erscheinungen der Jungfrau Maria, wenigstens zerrissene Vorhänge in irgendeiner Vorstandsetage...anschließend eine Sachverständigenkommission, die das mit divinatorischem Zertifikat versieht.

Gott: Zertifikat klingt irgendwie unseriös. Akte X? Das ist heute nicht mehr zeitgemäß......die Leute applaudieren wie bei einer Zirkusnummer, aber da bleibt nicht viel hängen.

Papst, sinnierend: ...oder Wunderheilungen in Lourdes?

Gott: Das hatten wir alles schon. Wunder gibt es immer wieder...ich bin aber zu alt für diese Show – und so viel verrat ich Dir schon jetzt, das Ressort habe ich ohnehin kürzlich an die Naturwissenschaft abgetreten. Ohne Konzentration aufs Wesentliche und lean management kommen wir nicht weiter...Und so schlecht ist Gentechnologie nicht, hab selber in meinen frühen Jahren, wie Du weißt, damit angefangen...Zunächst ein paar zweifelhafte Baureihen, aber schließlich wird es klappen. Auch Schöpfer brauchen Zeit.

Papst, ratlos: Wenn wir das Ressort jetzt auch noch abstoßen, bleibt nur noch die ewige Seligkeit. Aber im Vertrauen, darunter können sich Deine Schäflein wenig vorstellen, seitdem Bosch und Breughel im Museum hängen und die Herrgottsmaler in Bayern und anderswo ausgestorben sind. Wer liest heute noch Dante? Da haben wir horrenden Erklärungsbedarf, weil die Gläubigen inzwischen irdische Seligkeit vorziehen.

Gott: Das ist doch ganz einfach. Ewig währt halt am längsten. Manchmal hängt man ein wenig durch und – zugegeben - es ist auch nicht immer Partytime hier oben. Wir haben da jetzt allerdings einen coolen Reiseanimateur, der letztes Jahr in der Biskaya ertrunken ist...da versprech ich mir einiges von.

Papst murmelt: Biskaya...nach mir die Sintflut.

Gott: Etwas mehr Respekt, bitte. Im Übrigen, die Arche-Nummer kriegen wir nicht mehr hin. Allein die US-Marine hat genügend sintflutfeste U-Boote, sodass locker ein Meer von Ungläubigen auch ohne unsere Hilfe überleben würde. Das wäre schlimmer als vorher, wenn die Technologie mal wieder über den Glauben siegt.

Papst hilflos: Ja der Glaube, wir bräuchten wieder mehr Gläubige...

Gott: Genau, schau Dir die Konkurrenz an. Also wenn ich da die Taliban sehe, da weht ein anderer Wind. Irgendwie frischer...raue Kerls, aber das Herz am rechten Fleck.

Papst: ...Da kommt mir eine Idee. 30 000 Violet-Cards, freie Kost und Logis im Vatikan nebst Jenseits-Versicherung für missionsbereite Glaubensprofis, die flexibel genug sind, ihren Standort, vor allem aber ihren Standpunkt zu wechseln. Wäre auch ein kleiner Denkzettel für die hässliche Geschichte mit den Janitscharen.

Gott: Inder statt Kinder? Also die Idee scheint mir auf den ersten Blick nicht so unfehlbar zu sein, aber Du solltest es mal durch Deine Analysten prüfen lassen...

Papst:...wenn man es als Kreuzzug der Toleranz vorstellt...vielleicht klappts ja. Nichts für ungut, aber die Geschäfte rufen, ich muss jetzt zum televisionären Erdkreissegen. Besser Polyglott als Polygott, wie ich zu sagen pflege.

Gott: Vielleicht ruf ich zwischenzeitlich mal Luzifer an. An sich ein fähiger und blitzgescheiter Bursche, aber eben sehr überheblich. Vielleicht sollte ich ihm trotzdem verzeihen? Bündnis für den Glauben? Warum eigentlich nicht? Eine Ökumene der besonderen Art. Schließlich hängen die da unten voll mit drin. Wenn´s bei uns nicht weiter geht, haben die da unten auch nichts mehr zu lachen, will sagen: zu schmoren. Bis später...

 

 

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