Ein Krisengespräch
auf allerhöchster Ebene
Das goldene
Telefon klingelt...
Papst routinemäßig: Hallo, hier Stellvertretung
Gottes.
Gott: ...Und hier ist der Boss der Bosse. Ich will mich
ja nicht ständig in Deine Verwaltungsangelegenheiten einmischen, aber seit etwa 300
Jahren verstärkt sich bei mir der Eindruck, meine Repräsentation auf Erden lässt
erheblich zu wünschen übrig.
Papst (räuspert sich): Ja nun, was sollen wir
machen? Die Geschäfte laufen schlecht. Unsere Message kommt im Moment nicht rüber, so
froh oder cool die Botschaft auch sein mag.
Gott: Früher lief das erheblich besser, Deine
Vorgänger konnten sich noch durchsetzen. Wer nicht parierte, wurde nachmissioniert. War
zwar mitunter heftig, aber von einigen unerfreulichen Exzessen einmal abgesehen heiligt
der Zweck eben die Mittel.
Papst: Auf der einen Seite Toleranz predigen und auf der
anderen Seite Ketzer verbrennen? Wir haben genug Glaubwürdigkeitsprobleme mit eben diesen
Geschichten. Giordano schmieren sie uns bei jeder Gelegenheit aufs Butterbrot. Entre nous:
Ich bin kurz davor, seine Seligsprechung einzuleiten. Das hat er dann davon. Überdies
erregen sie sich jetzt über unsere Abstinenz in Sachen "Holocaust". Mischen wir
uns ein, gibts Ärger. Halten wir uns raus, ist es auch falsch. Das verstehe wer
will.
Gott: Ein wohl gemeinter Rat. Back to the roots! Meine
Kinder lieben Geschichten und weiß Gott, davon habe ich euch doch zwei dicke Bücher voll
geliefert. Frag doch mal bei Spielberg an, mach was draus: AT The Superterrestrian,
Eden Park- die Welt vor sechs Milliarden Jahren, Noahs Liste etc.
Papst: Storys? Allein die Geschichte mit der
unbefleckten Empfängnis hat uns mehr Ärger als Nutzen eingebracht.
Gott: Kann ich was dafür? Es war nun mal so, auch wenn die Wissenschaft
das dreist bestreitet. Mehr als reinen Wein kann ich auch nicht einschenken? Ich setze
halt Regeln für euch fest, bin ihnen aber nicht unterworfen. Schöpferbonus. Basta.
Papst: Genau da liegt das Problem. Ein bisschen mehr
Menschenähnlichkeit würde unseren Stand hier unten erheblich einfacher machen. Heute
glaubt keiner mehr irgendetwas, ohne sich von seiner Vernunft beraten zu lassen. Auch wenn
Dir das eitel erscheinen mag.
Gott: Ich hab´ nichts gegen Vernunft. Auch die ist mein Produkt
hab ich mir ausgedacht, um eure menschliche Komödie spannend zu halten. Vernunft, gut und
schön, aber man kann es auch übertreiben. Die Unvernunft hat mindestens so viel Charme.
"Ich denke, also bin ich." Wenn ich schon solche blasierten Sprüche höre. Wer
ist, entscheide immer noch ich. Wo bleibt da die Metaphysik? Selbst der alte
Königsberger, der mich weiland mächtig geärgert hat, hat dafür noch Platz gelassen.
Aber ihr habt zu viel Boden an die Un- und Andersgläubigen abgetreten. Eurer neues
Bündnis mit den Wissenschaften muss ja nicht gleich zur Totalkapitulation des Glaubens
werden.
Papst, lamoryant: Immerhin hab ich öffentlich
festgestellt, dass der Teufel wirklich ist, aus Fleisch und Blut. Da musste ich über
meinen Schatten springen, auch wenn Du das nicht glauben magst. Und meinst Du, die Pille
zu verbieten, wäre einfach gewesen. Unsere Einschaltquote ist allein dadurch mächtig in
den Keller gerutscht. Glaubwürdigkeit hin, Glaubwürdigkeit her ohne Reklame
läuft hier unten gar nichts mehr. Ein paar Werbegeschenke müssten doch drin sein,
vielleicht eine Generalamnestie für Ketzer?
Gott: Du weißt genau, dass im Purgatorio kaum noch
Platz ist. Wir können zuletzt noch weitere ungetaufte Seelen unterbringen. Und hier oben
haben wir erhebliche administrative Probleme, Petrus hat einen Pensionsantrag gestellt,
den ich schwerlich ablehnen kann und die Evangelisten reden nur von Tantiemen, aber seit
fast 2000 Jahren kommt von denen nicht mal das kleinste Storyboard.
Papst: Wenigstens ein paar Erlösungen von dem Übel
sollten drin sein...wenn wir diese Litanei schon ständig beten.
Gott: Ja, wenn´s so einfach wäre. Was sollen wir mit
noch mehr Erlösten hier oben? Die Chöre verstärken? Einmal Hallelujah pro Tag reicht
völlig hin. So schnell leide ich nicht mehr an narzisstischen Kränkungen. Man lernt halt
mit den Jahren dazu. Im Übrigen: Ich hab schon genug Ärger mit den ständigen Revisionen
antiker Philosophen. Gute Leute im Übrigen, aber eben ungetauft und fürchterlich
sophistisch. Allein dieser Sokrates ist ein elendiger Prozesshansel, dem sitzt die
Biografie im Nacken und jetzt lässt er keinen Prozesstrick aus, um sich in den Himmel zu
klagen. Irgendwo müssen Grenzen gezogen werden. Sonst gibt´s bald keinen Grund mehr,
überhaupt noch Christ zu sein.
Papst: Klar, aber vielleicht käme ja eine Wiedergeburt
Christi in Betracht. Eine zweite Chance für die zu früh Gekommenen.
Gott: Also jetzt Klartext, Wiedergeburt ist nicht drin.
An dem Modell haben die Hindus ältere Rechte und auf die Diskussion lass ich mich nicht
ein. Das Brahma hat schon damals bei der Wiederauferstehung Schwierigkeiten gemacht und
sich über Ressortverletzungen mokiert. Auch meine Allzuständigkeit hat leider ihre
Grenzen.
Papst: Und was sagt Jesus zu den Statistiken? Immerhin
unser bester, Tschuldigung, zweitbester Werbeträger.
Gott: Ewig dasselbe. Der macht sich für jede Minderheit
stark, dem ist die Erlöserrolle in Fleisch und Blut übergegangen, aber beim Thema
Staatsräson, also Himmelräson, passt er. Heilige Dreifaltigkeit ist ein gutes Prinzip,
irgendwie habe ich doch eine demokratische Ader, aber letztlich bleibt alles an mir
hängen.
Papst: Wie auch immer, wir haben hier unten genug
Probleme. Ich bin trotz unbegrenzter Prokura schließlich nur Stellvertreter. Und glaub
mir: Fidel Castro im Vatikan zu empfangen, das belegt, wie weit wir gekommen sind. Wenn
bald nichts geschieht, können wir hier Konkurs anmelden.
Gott: Es wär nie so weit gekommen, wenn ihr die
Theologen gezügelt hättet. Die haben mit ihrem guten Willen mehr geschadet als dieser
Vollbärtige, der meinte, meine Lehre sei Opium für das Volk oder dieser unverschämte
Pastorensohn, der gleich behauptete, ich sei tot. Na ja, was er davon hatte, kann er ja
jetzt von unten sehen.
Papst: Okay, diese Möchtegern-Apostel und Blendboten
des Bösen sind wir los, aber auf die Bibelforscher an den Universitäten haben wir wenig
Einfluss. Du hättest Deinen Evangelisten sagen sollen, dass sie die Fakten sauberer
zusammentragen. Auch die Qumran-Rollen machen noch keinen Sommer, viel weniger ein
Heiliges Jahr. Ständig traktieren sie uns mit angeblichen Widersprüchen in den heiligen
Schriften, die klein zu reden, mir schon lange kein Vergnügen mehr macht. Allein das
Wunder der Brotvermehrung glaubt doch heute kein Mensch mehr.
Gott: Stimmt, war ja auch nur eine Leihidee, aber damals brauchten wir
eine gute Propaganda und hatten gerad´ nichts anderes. In dieser aufgeregten Zeit zog das
eben und Paulus musste sich gegen die Römer mächtig ins Zeug legen. Wer konnte
vorhersehen, dass jedes kolportierte Wort auf die Goldwaage gelegt würde?
Papst ironisch: Ich jedenfalls nicht, das fällt
nicht in meine Kompetenz, noch weniger in meine Legislaturperiode. Als Nachlassverwalter
muss man mit dem leben, was übrig bleibt.
Gott: Jetzt bitt ich dich. Das ist alles andere als eine Nachlass- oder
Konkursmasse, die Du verwaltest. Allein der Einsatz meines Sohnes hat euch fast 2000 Jahre
gut genährt. Und einige Deiner Vorgänger haben das schamlos ausgenutzt. Zeitweise lief
bei denen nur noch der Telefonanrufbeantworter, wenn man da anrief. Man kann eben nicht
immer wie Gott in Frankreich leben. Du weißt ja, auf die fetten folgen die mageren Jahre.
Aber das ist kein Grund für mangelnden Einsatz. Wenn das so weiter aus dem Ruder läuft,
werde ich Saatchi & Saatchi oder Boston Consulting mit der Reorganisation beauftragen.
Da kannst Du in die Sommerfrische nach Gandolfo fahren.
Papst beleidigter Ton in der Stimme: Jetzt zur
Jahrtausendwende hätte uns ein bisschen Apokalypse weiter gebracht. Eine kleine
Angstnummer, dann kämen sie wieder in Scharen gelaufen. Noah hatte damals ja auch
mächtig Zulauf in seiner Arche.
Gott: Eine kleine Apokalypse? Entweder richtig oder gar
nicht. Immerhin hat Johannes - leider etwas voreilig - Maßstäbe gesetzt. Und wann ich
den Laden schließe, bestimme immer noch ich. Also red mir nicht in meine Vorsehung rein.
Ich sag euch jedenfalls rechtzeitig Bescheid. Im Übrigen sitzt Du dann ja ohnehin in der
ersten Reihe.
Papst: Irgendwo muss sich der ganze Ärger ja auch
lohnen. Allein diese Sweat-Jobs im gläsernen Papamobil durch Afrika sind durch keine
Aufwandsentschädigung wett zu machen, von den frechen Witzen über meine Stellvertretung
ganz zu schweigen. Aber auch dieser Einsatz löst das Problem jetzt nicht...vielleicht ein
paar Erscheinungen der Jungfrau Maria, wenigstens zerrissene Vorhänge in irgendeiner
Vorstandsetage...anschließend eine Sachverständigenkommission, die das mit
divinatorischem Zertifikat versieht.
Gott: Zertifikat klingt irgendwie unseriös. Akte X? Das
ist heute nicht mehr zeitgemäß......die Leute applaudieren wie bei einer Zirkusnummer,
aber da bleibt nicht viel hängen.
Papst, sinnierend: ...oder Wunderheilungen in
Lourdes?
Gott: Das hatten wir alles schon. Wunder gibt es immer wieder...ich bin
aber zu alt für diese Show und so viel verrat ich Dir schon jetzt, das Ressort
habe ich ohnehin kürzlich an die Naturwissenschaft abgetreten. Ohne Konzentration aufs
Wesentliche und lean management kommen wir nicht weiter...Und so schlecht ist
Gentechnologie nicht, hab selber in meinen frühen Jahren, wie Du weißt, damit
angefangen...Zunächst ein paar zweifelhafte Baureihen, aber schließlich wird es klappen.
Auch Schöpfer brauchen Zeit.
Papst, ratlos: Wenn wir das Ressort jetzt auch
noch abstoßen, bleibt nur noch die ewige Seligkeit. Aber im Vertrauen, darunter können
sich Deine Schäflein wenig vorstellen, seitdem Bosch und Breughel im Museum hängen und
die Herrgottsmaler in Bayern und anderswo ausgestorben sind. Wer liest heute noch Dante?
Da haben wir horrenden Erklärungsbedarf, weil die Gläubigen inzwischen irdische
Seligkeit vorziehen.
Gott: Das ist doch ganz einfach. Ewig währt halt am
längsten. Manchmal hängt man ein wenig durch und zugegeben - es ist auch nicht
immer Partytime hier oben. Wir haben da jetzt allerdings einen coolen Reiseanimateur, der
letztes Jahr in der Biskaya ertrunken ist...da versprech ich mir einiges von.
Papst murmelt: Biskaya...nach mir die Sintflut.
Gott: Etwas mehr Respekt, bitte. Im Übrigen, die Arche-Nummer kriegen
wir nicht mehr hin. Allein die US-Marine hat genügend sintflutfeste U-Boote, sodass
locker ein Meer von Ungläubigen auch ohne unsere Hilfe überleben würde. Das wäre
schlimmer als vorher, wenn die Technologie mal wieder über den Glauben siegt.
Papst hilflos: Ja der Glaube, wir bräuchten wieder mehr
Gläubige...
Gott: Genau, schau Dir die Konkurrenz an. Also wenn ich da die Taliban
sehe, da weht ein anderer Wind. Irgendwie frischer...raue Kerls, aber das Herz am rechten
Fleck.
Papst: ...Da kommt mir eine Idee. 30 000 Violet-Cards,
freie Kost und Logis im Vatikan nebst Jenseits-Versicherung für missionsbereite
Glaubensprofis, die flexibel genug sind, ihren Standort, vor allem aber ihren Standpunkt
zu wechseln. Wäre auch ein kleiner Denkzettel für die hässliche Geschichte mit den
Janitscharen.
Gott: Inder statt Kinder? Also die Idee scheint mir auf
den ersten Blick nicht so unfehlbar zu sein, aber Du solltest es mal durch Deine Analysten
prüfen lassen...
Papst:...wenn man es als Kreuzzug der Toleranz
vorstellt...vielleicht klappts ja. Nichts für ungut, aber die Geschäfte rufen, ich muss
jetzt zum televisionären Erdkreissegen. Besser Polyglott als Polygott, wie ich zu sagen
pflege.
Gott: Vielleicht ruf ich zwischenzeitlich mal Luzifer
an. An sich ein fähiger und blitzgescheiter Bursche, aber eben sehr überheblich.
Vielleicht sollte ich ihm trotzdem verzeihen? Bündnis für den Glauben? Warum eigentlich
nicht? Eine Ökumene der besonderen Art. Schließlich hängen die da unten voll mit drin.
Wenn´s bei uns nicht weiter geht, haben die da unten auch nichts mehr zu lachen, will
sagen: zu schmoren. Bis später...
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