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Einladung zum 50.Geburtstag
Wann: Samstag vor Pfingsten,
26.05.2007, 13.00
Uhr. Im
Übrigen: Eine Rückmeldung,
ob Ihr kommt, wäre gut, um eventuelle Planungen möglich zu machen. Fristen
setze ich diesmal keine, weil ich das bereits seit Jahrzehnten mache, ohne
deshalb darin die einzig verbliebene effektive Kommunikationsweise zu sehen.
1957
–ein ganz
besonderer Jahrgang? Der Satellit Sputnik macht sich auf den Weg - Osama bin
Ladin, Aki Kaurismäki, Sid Vicious,
Carole Bouquet, Theo van Gogh,
Markus Stockhausen, Caroline
Louise Marguerite Prinzessin von Hannover Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg,
„vulgo“: Prinzessin von Monaco - und
last und eher least Goedart Palm – auch. Ein Jahrgang ist
offensichtlich keine plausible Kategorie, ein Leben zu entdecken. 1957
–
1957 - die Dinge nehmen also ihren relativ glatten Lauf, für die Welt, für
mich. Trotzdem: Wir würden es ganz anders machen, wenn wir es noch einmal
machen könnten, um es dann wiederum ganz anders zu machen, ad infinitum. Leben
ist Entwurf und Praxis zugleich, das erscheint nicht nur mir als
Konstruktionsfehler, zudem wenn man Teil der Konstruktion ist. Prägend für uns
Wirtschaftswunderlinge wird dabei der Glaube, die Welt sei verbesserbar, ja sie
habe gerade auf uns gewartet, um wirklich friedlich und freundlich zu werden.
Politik, Erziehung, Familie, Ehe, Umwelt, Gesellschaft schließlich der Globus
selbst, wir machen das besser. Dieser fröhlich-selbstgewisse Aufklärungsdiskurs
mischte sich mit dem Bestandsgarantiedenken unserer Altvorderen, denen wir nicht
die Freude nehmen wollen, Mäzenatentum und „Hotel Mama“ in alter
Verbundenheit mit uns Bescheidwissern zu gewährleisten. In dieses fast perfekte
Glück drängte sich langsam das Katastrophische, Irreversible, Klebrige,
Unkategorische und auch Belanglose unserer und anderer Existenzen hinein. Das
„psychosoziale Moratorium“ (Habermas), diesen ewigen Aufschub des eigenen
Lebens, den wir weit über die Studienzeit zu erhalten glaubten, befriedigte
irgendwann auch nicht mehr. Es ging nicht mehr darum, eine Entscheidung zu
treffen, sich zu involvieren, man steckte bereits tief darin. Das war nicht
fair, aber so sind die Verhältnisse nun einmal. Es
sickerte langsam: Die Welt zu verändern heißt also eigentlich auch nicht mehr,
als ein selbstgefälliger Teil ihres aufdringlichen Schicksalsprogramms zu
werden und sich über die eigene Bedeutung maßgeblich bis maßlos zu irren.
Apologetik, wohin man schaut. Sein eigenes Leben umgibt man immer mit
mannigfaltigen Selbstrechtfertigungen, besser gesagt: mit Fortifikationen gegen
das nagende Schicksal, die Todesboten. Abschlüsse, Examen, messbare Leistungen,
Gehälter, Ehe, Familie, Eigenheim, das Programm wird für Selbstverwirklicher
und Leistungsverführte, zu denen man sich zählt, fast unübersichtlich. Die
ideologischen Außenmauern haben wir ständig verstärkt, jedes Scheitern
entspricht wie jeder Erfolg der Logik und gleichzeitig soll der Zufall auch zu
seinem Recht kommen. Leben ist das selbst gefertigte Paradox schlechthin. Das
Sponsoring im Elternhaus hat mich wie viele andere Nichtleidende nicht nur
materiell, sondern auch ideell endgültig geprägt: Nach der Entschädigungsstelle,
nach den Kompensationsinstanzen eines kruden Weltprozesses suchen wir weiterhin,
mit wechselndem Erfolg nach Versorgungsleistungen und Erfüllungen. Auch deshalb
heiratet man und bekommt Kinder und dieser (Selbst)Schöpfungstrick ist zu großartig,
als dass man ihn klein reden sollte. Doch hier verlassen wir bereits die eigene
Identität… Unser
eigenes Identitätsprogramm begann mit Urpersonen, Urräumen und unsäglichen
Umräumen, dem ersten Spielzeug, dem ganzen Zeug, das ewige Leidenschaften
beschreibt, die man nie mehr loswird. Spezifisch daran war an meiner Generation
vielleicht nur der Umstand, dass wir die frühen, leicht verderblichen
Medienkinder gewesen sind: Ich erinnere mich Anfang der sechziger Jahre an die
Präsentation eines einzelnen, fragwürdig konservierten Wals in Gummersbach
(Meine zweite Station, drei Jahre nach der Geburt in Köln). Heute würde für
so wenig „event“ keiner mehr aufbrechen, so wenig wie für das karge
Fernsehprogramm der Steinzeit, das mich mit „Peterchens Mondfahrt“ auf einem
„Fremdfernseher“ überraschte und just diese Expedition in das Reich der
verlogensten Verlogenheit schien mir unübertrefflich schön und wahr.
Und
in Zukunft: Wir fahren also weiter mit geleasten Prototypen gegen diese oder
jene historische Wand - wohl wissend, dass unsere Fahrzeuge bruchgefährdet sind
und die nächste Pannenstatistik schon auf uns wartet. Doch wenigstens haben wir
sie uns regelmäßig nicht ausgesucht.
Goedart Palm Teil II (aus der halb improvisierten Rede) „Wenn
einer spricht, müssen die anderen zuhören - das ist deine Gelegenheit! Mißbrauche
sie.“ Sagte Kurt Tucholsky, der übrigens auch meinte, der Deutsche wäre der
geborene schlechte Redner. Sei´s drum. 2007 ist der Jubiläums-Gau:
100 Jahre EDEKA, 60 Jahre Filmfestival Cannes, 30 Jahre „Star Wars“,
mindestens so wichtig: Beate Uhse feiert das 60-jährige Firmenjubiläum.
Mein Freund Peter (Weber) gestern 50 Jahre. Es ist auf Geburtstagen scheinbar üblich
geworden, sämtliche Gäste vorzustellen. Ich mache das nicht, weil so viele von
Euch gekommen sind und eure Verdienste so weit reichen, dass meine
Beschreibungsmöglichkeiten weit dahinter zurückstehen würden. Mir sagte
neulich auf eine dieser Feiern eine Frau, dass sie gar nicht „amused“ sei,
nur zu erfahren, dass sie dafür erinnert wurde, seinerzeit gut ausgesehen zu
haben. Wer sich heute
ernsthaft für seinen Mitmenschen
interessiert, möge dessen Website
studieren. Also: goedart.de. Ich habe alle intimen Informationen über mich in
das Netz gestellt und plaudere deshalb privat nicht mehr viel aus. „Man
ist so alt, wie man sich fühlt.“ Danach hätte ich im Prinzip schon mit 20
den heutigen Geburtstag feiern dürfen. Hat
eigentlich je einer zu dieser Altersmarke „Fünfzig“
fundamentale Einsichten geäußert? Wenn
es der Dichtkunst dient, möchte ich in Abwandelung des schönsten
Prozessspruchs von Fritz Teufel sagen.
… So gratuliert mein Sohn Leonard, der in der Schule gerade Poesie
nebst Metrik behandelt. Inhaltlich kann ich dem – von meinem agilen Selbstbild
aus – selbstverständlich nichts abgewinnen. Aber der Maler
Edward Burne-Jones meinte es wohl nicht so verschieden: „Unsere ersten
fünfzig Jahre vergehen in großen Irrtümern, dann werden wir ängstlich
und können kaum den rechten Fuß vor den linken setzen, so genau kennen wir
unsere eigene Schwäche. Dann zwanzig
Jahre voll Mühe und jetzt fangen wir an zu verstehen, was wir tun können
und ungetan lassen müssen. Und dann kommt, ein Hoffnungsstrahl und ein
Trompetenstoß und weg müssen wir von der Erde.“ Nach
dem Präraffaeliten Burne-Jones bin ich also jetzt in der ängstlichen, mühseligen
Erkenntnisphase angelangt, immerhin in zwanzig Jahren weiß ich vielleicht mehr.
Tizian ging nach Gottfried Benn indes
erheblich weiter, er hörte – nach seiner Selbstaussage - mit 99
Jahren auf, ein Stümper zu sein.
Es ist wert, diesen Essay von Benn über das Altern des Künstlers zu lesen,
weil er eine relative Hoffnungsepistel
für Nachwuchsalte wie mich ist. Hokusai
ging davon aus, dass er es erst mit 110
Jahren erreicht habe, dass alles von ihm, auch nur ein Punkt
oder Strich, lebendig sei. Das hat Konstanze noch viel Zeit. Solche
euphorisch stimmenden Genies gab es einige. Der späte Alfred Kubin soll Jugend
und Alter in sich vereinigt haben. Das ist natürlich paradiesisch, weil man der
Zeit enthoben ist. Jedenfalls gibt es auch mit 50 und danach eine Form von Überleben.
Ob
man diese Altersberichte für die eigene Altersbewältigung einsetzen kann, ist
allerdings höchst fraglich. Altern ist etwa für Fahrradfahrer (Auch
Du, Zabel, BILD) etwas völlig anderes als für Künstler oder Rechtsanwälte.
Meine persönliche Empfehlung: Wechsel mal die Profession, die Branche. Obwohl
dieser Tipp in einem höheren Sinne typisch juristisch ist: „Man kann eher ein
Schwein am eingeseiften Schwänzchen festhalten, denn einen Advokaten am Fuß.“ Vertrauen
wir weiter auf Gottfried Benn? Ein Römer der Kaiserzeit wurde 25
Jahre, aber starb in vollem Saft, während heute die Körper morbider würden
und in lauter Vorbeugung gegen die Alterzipperlein erweichen. Der
General-Anzeiger hat vor einigen Tagen einigen meiner Bilder „Altersmilde“
attestiert. Und das nur, weil ich diesen Begriff
voreilig benutzt habe und selbstverständlich nicht so gemeint habe. Leider
sagen die Menschen zu selten das, was man hören will. Es gibt keine echten Günstlinge
in meiner Nähe, obwohl mir meine Liebsten immerhin „Diktatorenfähigkeiten“
nachsagen. „Dass du Tore schießt,
obwohl du so fett bist, ist ja ein Wunder der Natur.“ P.S. Das menschliche Gehirn ist eine großartige Sache. Es funktioniert vom Augenblick der Geburt bis zu dem Zeitpunkt, wo Du aufstehst, um eine Rede zu halten (Mark Twain). Danach danke ich meiner Frau und meinen Kindern, weil ihre Fähigkeit, mich zu verstehen, immer besser mit meiner Altersmilde, sprich: Verkalkung, korreliert.
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