Parfüm und Moral
Die Herrschaft der Nase war bereits vor Patrick Süskind ein Menschheitsthema. Parfüm verführt, was indes die juristisch komplexe Frage aufwirft, ob hier nicht Entschuldigungsgründe bis hin zur Paradiesgeschichte die geruchsstrategisch Verbundenen von Sünde freisprechen. Gegen die gefährlichen Elixiere teuflischer
Verführung ist womöglich keine Macht der Welt gefeit. Doch die Nasenherrschaft erlebt in der olfaktorischen Spätmoderne nun eine beispiellose Verschärfung. Denn "Gucci Guilty Black" verströmt eine unvorherriechbare neue moralische Qualität: Statt der vormaligen Verführung wird nun ohne Umwege sofort
hoch dosierte Schuld verkauft. Der moralische Exzess ist ab jetzt programmierbar bzw. einmassierbar. Reib dich mit Schuld ein! Gucci selbst hat das eigene immoralistische Produkt allerdings nicht ganz begriffen: Zwar bringt der Duft laut Packungsbeilage die "extremsten Facetten zum Vorschein", aber in der
Folge heißt es von den Duftträgern, die wechselseitig von unbändiger Anziehungskraft angezogen würden, lediglich: "...sie lieben die Gefahr und den Nervenkitzel." Das bleibt weiter hinter der ultimativen Verschränkung von Duft und Moral, Sinnlichkeit und Schuld zurück, auf die der Käufer doch einen
Primäranspruch hat. Hier sind Mängelgewährleistungsansprüche und Rückholaktionen zu erwarten, wenn der unmittelbare Sündenfall ausfällt und die Gucci-Schuldigen auf die Fährnisse einer fragilen Verführbarkeit zurückgestoßen würden...
© Goedart Palm
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